Diskussionen in der Ehe singend austragen – Braunschweiger Zeitung vom 4.8.17

Meerdorf „Frau Sonntag und ihr ständiger Begleiter“ begeistern in der Kleinkunstbühne „teatr dach“.

Von Rainer Heusing

Seh’n se, det is Berlin.“ Zwei Berliner führten am Mittwoch im teatr“ dach auf unterhaltsame, sehr angenehme Weise vor, wie eine Ehe funktionieren kann. Als „Frau Sonntag und ihr ständiger Begleiter“ touren sie seit einem Jahr durch die Republik und machten zum ersten Mal in Meerdorf Halt. Anja Sonntag und Stefan Gocht bilden nicht nur eine harmonierende Musik-Ehe, sondern sie wissen, wovon sie sprechen und singen, denn sie sind seit Jahren verheiratet.Ihr Programm steht unter dem Titel „In der Ehe ist man so alt, wie man sich fühlt“. Vom Alter war weniger die Rede, sondern vom Wohlsein. Denn ihr Paartherapeut, so erzählen sie, habe ihnen empfohlen, statt sich anzuschreien, sollte man singen. Das tun sie auch, wobei sie bekannte Titel mit witzigen Texten verfremden, die Anja Sonntag verfasst hat. So singt sie den Hit der Comedian Harmonists „Liebling, mein Herz lässt dich grüßen“ und lässt ihn so ausklingen: „Und dir sagen, der Müll muss noch raus.“ WoraufStefan Gocht singt: „Wir Männer sind die Hausschweine. Wir essen immer alle Teller leer. Wir sind die Mülleimer und die Kofferkulis.“ Die Eheleute necken sich, was das Zeug hält. Er singt mit kräftigemTenor Franz Lehars „Dein ist mein ganzes Herz“. Danach singt das Paar zweistimmig die Barcarole aus „Hoffmanns Erzählungen“, um sich schließlich innig zu küssen, begleitet vom Jubel des Publikums. Sie setzen auch zeitkritische Akzente. Anja Sonntag macht sich über den Fitness-Wahn lustig und sagt: „Sport und Turnen füllt Gräber und Urnen.“ Den Besuchder Schwiegermutter kündigen sie in swingendem Rhythmus an, die Suche der Ehefrau in einem Kaufhaus nach einem Badeanzug mit einem Blues. Frau Sonntag, mit hochgestecktem, rotblondem Haar propper anzusehen, kommt zu der Erkenntnis: „Jedes Gramm an mir sitzt perfekt.“ Die beiden Künstler haben eine umfängliche Ausbildung erfahren. Sie sind bei guter Stimme und beherrschen mehrere Instrumente: Klavier und Tenorhorn spielenbeide, wobei Stefan Gocht ein feinfühliger Begleiter am Piano ist. Und wenn er das Akkordeonentfaltet, wähnt man sich am Montmartre in Paris. Zumal Anja Sonntag, die auch mal zur Mundharmonika und zur Ukulele greift, auch als Chansonnette mit sicherem Tremolo gefällt, beispielsweise mit Charles Aznavours „Du bist so komisch anzuseh‘n“. Das Publikum dankte im ausverkauften teatr dach mit heftigem Beifall und erhielt zwei Zugaben.

Nach oben scrollen